Das Projekt

p-care ist ein grenzüberschreitendes Verbundprojekt zum Thema Krebsmedizin, das von der EU, dem europäischer Fonds für regionale Entwicklung und durch das Interreg V-A Italia-Austria Programm finanziert wird.
Dabei arbeiten die Partner des Projekts grenzüberschreitend zusammen, um eine der größten Herausforderungen der Krebsmedizin anzugehen: die Resistenz von Tumoren gegen die Behandlung.
Unser Ziel ist es, die Barrieren abzubauen, die die Wirksamkeit von Krebstherapien einschränken um letztendlich das Leben der Patient*innen zu verbessern und die Gesundheitskosten für die Krebsbehandlung zu senken.
Das Projekt, das von den zuständigen österreichischen und italienischen Ethikkommissionen genehmigt wurde, plant:

  • den Erwerb neuer Erkenntnisse über die verschiedenen biologischen Mechanismen, die für die Arzneimittelresistenz bei Tumoren verantwortlich sind
  • neue therapeutische Strategien zu entwerfen und zu validieren
  • das erworbene Wissen und die generierten Ressourcen der medizinisch-wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen.

Die p-care-Strategie basiert auf der Entwicklung und Anwendung modernster Krebsmodelle, die aus Patient*innenproben gezüchtet wurden, auf der Implementierung „intelligenter“ Strategien für das Wirkstoff-Screening und auf der Schaffung eines effizienten Wissenstransfersystems zum Vergleich und Austausch der erzielten Ergebnisse.

 

Die Herausforderung

Krebstherapien

Es gibt aktuell viele verschiedene Therapieansätze gegen Krebs. Die Wahl und Kombination der Behandlungsmethoden, die dem Patienten angeboten werden, wird unter Berücksichtigung der Art des Tumors und des Entwicklungsstadiums der Krankheit getroffen.
Die Hauptbehandlungsoptionen umfassen:

- die chirurgische Entfernung des Tumorgewebes aus dem Körper;

- die lokale Verwendung hoher Strahlendosen, um Tumorzellen abzutöten bzw. Tumormasse zu verringern;

- die Verwendung von systemischen pharmakologischen Therapien, die

  • aktiv proliferierende Zellen abtöten (Chemotherapie),
  • dem Immunsystem helfen, Krebszellen zu zerstören (Immuntherapie),
  • auf bestimmte molekulare Merkmale von Krebszellen abzielen und diese inaktivieren
  • die deren Proliferation und Verbreitung inhibieren (molekular zielgerichtete Therapien), oder
  • Krebszellen, deren Wachstum von hormonellen Signalen abhängt blockieren und damit abtöten (Hormontherapien gegen Brust- und Prostatakrebs).

Trotz der enormen Fortschritte in der Krebsbehandlung  in den letzten Jahrzehnten, bleibt die Resistenz von Tumorzellen, sowohl gegenüber klassischen Chemotherapie-Behandlungen als auch gegenüber innovativsten Therapien, eine der größten Herausforderungen.
Die Unempfindlichkeit von Krebszellen gegenüber diesen Behandlungen kann ein bestehendes Merkmal des Tumors sein oder erst im Laufe der Therapie auftreten. In beiden Fällen sind Resistenzen für die Mehrzahl der Krankheitsrückfälle und Krebstodesfälle verantwortlich.
Aber warum können Krebszellen den Behandlungen überhaupt widerstehen?

Die Resistenz von Tumoren gegen Therapien

Heute sind mehrere Faktoren bekannt, die die Sensitivität und Resistenz von Tumoren gegen medikamentöse Therapien beeinflussen.

Existierende Resistenzen

Behandlungen mit Chemotherapien oder molekular zielgerichteten Arzneimitteln sind dann nicht oder eingeschränkt wirksam,  wenn in der Tumormasse Subpopulationen unempfindlicher neoplastischer Zellen mit genetischen Mutationen vorhanden sind, die für das Tumorwachstum und / oder die Reaktion auf die Medikamente wichtig sind. Einige der an diesen Phänomenen beteiligten Gene wurden bereits identifiziert, darunter solche, die an der Kontrolle der Akkumulation von Substanzen in der Zelle, an den Prozessen der DNA-Reparatur oder an den Kontrollprogrammen der Prozesse, die zum genetisch programmierten Zelltod führen, beteiligt sind.

Erworbene Resistenzen

Im Laufe der Behandlung können dann auch neue Mutationen und Veränderungen im Genom auftreten, welche die Expression verschiedener Gene und Signalwege verändern und so zur Modifikation von Zielmolekülen führen können, über die Arzneimittel wirken. So kommt es, dass  Tumorzellen, die anfangs empfindlich auf Behandlungen reagierten, schlussendlich zu resistenten Zellen werden.
Nicht nur Mutationen, sondern auch Veränderungen, die das sogenannte „Verpacken von DNA“ in die geordneten Strukturen des Chromatins beeinflussen, können zur Entwicklung einer Therapieresistenz beitragen.

Tumor-Mikroumgebung

Tumoren bestehen nicht nur aus Krebszellen, auch die Nachbarschaft/Umgebung von Krebszellen muss betrachtet werden. Diese umfasst  viele andere Zelltypen, wie Fibroblasten und Zellen des Immunsystems, eine extrazelluläre Matrix mit Kollagenfasern und verschiedenen Signalmolekülen, Blutgefäße und vieles mehr. Alle diese Elemente kommunizieren mit Krebszellen und beeinflussen die Wirkung der Therapie.
Beispielsweise deutet das Vorhandensein einer sehr starren und fibrotischen Tumormikroumgebung darauf hin,  dass Medikamente innerhalb der Tumormasse sehr schlecht diffundieren und dass onkogene/ krebserzeugende Signale verstärkt aktiviert werden, was wiederum mit dem Einsetzen einer Resistenz verbunden ist. Das körpereigene Immunsystem kann die Entwicklung von Tumoren blockieren, da es neu auftretende Krebszellen erkennen und eliminieren kann. Maligne Zellen können sich jedoch möglicherweise auch dieser Kontrolle entziehen, indem sie Immun-Checkpoints (Kontrollpunkte) manipulieren und so die Schaffung einer Gewebemikroumgebung begünstigen, die die Immunantwort unterdrückt. Ein ähnlicher Zustand ist mit der Entwicklung des Tumors und seiner Unempfindlichkeit gegenüber Behandlungen mit Immuntherapeutika verbunden.

zur Untersuchung der Arzneimittelresistenz bei Tumoren

Ein besseres Verständnis der biologischen Mechanismen, die einer Therapieresistenz zugrunde liegen, ist wichtig, um die verschiedenen Therapiestrategien und die Prognose der Patienten verbessern zu können.
Das Studium der Arzneimittelresistenz ist eine große Herausforderung. Viele Forscher sind weltweit an der Entwicklung von Systemen zur Untersuchung der Arzneimittelresistenzmechanismen von Tumoren beteiligt. Die Simulation der Tumorumgebung im Organismus des Patienten hilft, die biologischen Ereignisse, die ihn in vivo charakterisieren, zu verstehen und innovative und effektivere therapeutische Ansätze zu entwickeln.

Organoide und Sphäroide

Aus Patientenzellen gezüchtete 3D-Zellsysteme wie Tumororganoide und Sphäroide gehören zu den modernsten Krankheitsmodellen und sind Schlüsselinstrumente für die Reproduktion und Untersuchung eines Tumors im Labor unter Bedingungen, die repräsentativ und informativ für das Geschehen im Körper des Patienten sind.
Tumororganoide stammen ausschließlich von Tumorstammzellen, die im ursprünglichen Tumor vorhanden sind. In der Kultur entstehen daraus Krebszellen, die sich diversifizieren. Diese Art von Systemen kann über lange Zeiträume, sogar über mehrere Monate, in Kultur gehalten werden.
Sphäroide sind Systeme, in denen sich eine Mischung aus Tumorzellen und Zellen verschiedener Typen befindet, die aus der Gewebemikroumgebung stammen, in der sich der ursprüngliche Tumor im Körper befand. Diese werden für einen kurzen Zeitraum (der zwischen 3 und 6 Wochen liegen kann) zusammen gezüchtet und kultiviert.
Diese Systeme ahmen die Art und Weise im Reagenzglas nach, wie solide Tumoren im Patienten tatsächlich strukturell organisiert sind, wie sich Zellen innerhalb der Tumormasse und des Gewebes schichten, Nährstoff- und Sauerstoffgradienten reproduzieren, physikalische Wechselwirkungen zwischen Zellen, Polarität verlieren und Genexpressionsprofile verändern. Es ist jetzt bekannt, dass 3D-Zellsysteme auf pharmakologische Behandlungen ansprechen, indem sie Reaktions- und Resistenzmechanismen ins Spiel bringen, die denen im Patienten bei soliden Tumoren sehr ähnlich sind.

Andere Systeme, die als Modell in der Forschung verwendet werden, sind Tumorzelllinien. Diese ermöglichen eingehende Untersuchungen und sind sehr nützlich, um molekulare Wege im Detail zu untersuchen. Sie sind jedoch nicht repräsentativ für die komplexe zelluläre Zusammensetzung von Tumoren, sie erlauben uns nicht, die Rolle der Mikroumgebung zu bewerten, in der sich die Tumorzellen im Gewebe befinden und können nur teilweise Informationen über das Ansprechen der Zellen auf Behandlungen liefern.

Eine Alternative ist die Transplantation von menschlichem Tumorgewebe in Mäuse (sogenannte Patiententumor-Xenotransplantate). Dieses Modell zeigt physiologische Merkmale, die dem ursprünglichen Tumor ähnlicher sind, und ermöglicht Vorhersagen über das klinische Ansprechen des Patienten auf Therapien. Die Effizienz bei der Herstellung von Tumorgewebeimplantaten ist jedoch gering; Das Verfahren ist zeitaufwendig und teuer, und erfordert den Einsatz von vielen Labortieren.

Auf der anderen Seite stellen Tumororganoide und Sphäroide von Patienten vielversprechende Möglichkeiten dar, das Ursprungsgewebe und das Verhalten des Tumors nachzuahmen. Sie können mit großer Effizienz erzeugt und verbreitet werden. In flüssigem Stickstoff kryokonserviert sind sie nach dem Auftauen wieder für Forschung einsetzbar, um wichtige Analysen auf individueller Patientenebene durchzuführen.

Das Erbe von PreCanMed

Die Partner des p-care Projekts entwickeln genau solche Krankheitsmodelle, um sie dann für die Erforschung der Arzneimittelresistenz von Tumoren zu verwenden.
Das Konsortium kann dafür auf Vorarbeiten aufbauen. Die Grundlage für p-care wurde durch eine frühere Initiative von Interreg Italien-Österreich, dem PreCanMed-Projekt, geschaffen, welches ebenfalls vom EU-Fonds für regionale Entwicklung finanziert wurde.

PreCanMed konnte mehrere wichtige Ergebnisse erzielen, darunter:

- die interregionale Entwicklung der Tumororganoid-Technologie für Patienten als hochmodernes Modellsystem zur Untersuchung von Krebserkrankungen;

- die Sammlung genomischer Daten über gesammelte Organoide von Patient*innen,

- Entwicklung und Austausch standardisierter Verfahren und Protokolle für die Erzeugung von Organoiden für eine breite Gemeinschaft interessierter Forscher*innen

- Schaffung einer interregionalen Biobank aus Tumororganoiden und Patientenbiopsien.

Aus diesen Gründen werden die Partner in p-care 3D-Zellsysteme verwenden, um die Therapieresistenz von Tumoren zu untersuchen mit dem Ziel, diese zu überwinden.

Arzneimittelresistenz verstehen

p-care Partner werden die Tumororganoid und Sphäroid Systeme entwickeln, die nicht nur die Eigenschaften des Tumors, sondern auch die Komplexität des Ursprungsgewebes im Körper sowie die Immunantwort des Patienten gegen den Tumor nachahmen können. Mittels Omics-Technologien werden resistente Zellen analysiert, um das Ansprechen auf Behandlungen zu testen und zu charakterisieren und molekulare Merkmale zu identifizieren, die mit Arzneimittelresistenzen verbunden sind. Die Erkenntnisse werden helfen, neue  Verwundbarkeiten des Tumors aufzudecken und die Entwicklung spezifischer Behandlungen vorantreiben, die auf diese Schwachstellen abzielen.

Medikamentenscreening

Die entwickelten Organoide und Sphäroide werden zu Modellsystemen, die die grundlegenden molekularen Merkmale des Tumorgewebes im ursprünglichen Zustand darstellen können. Damit werden verschiedene innovative Screening-Strategien zur Identifizierung neuer Medikamente implementiert.

Arzneimittel Kandidaten

Die bioinformatischen Analysen der Omics-Daten, die von Organoiden und Sphäroiden gewonnen wurden, ermöglichen es, molekulare Signalwege zu identifizieren, die Resistenz von Tumoren gegen Immuntherapie oder Chemotherapie auslösen. Genau diese intrazellulären Signalwege sollen dann für die weitere Forschung ins Visier genommen werden. Auf Basis der bioinformatischen Analysen sollen für jedes Patientenmodell jene Arzneimitteln identifiziert werden, die möglicherweise falsch laufende Signalwege blockieren können. Diese Wirkstoffe werden dann in Kombination mit Standardtherapien getestet, um zu erkennen, ob sie das Wachstum von Organoiden und Sphäroiden von Patient*innen begrenzen können, indem die Empfindlichkeit von Tumorzellen gegenüber Immuntherapie oder Chemotherapie erhöht wird.

Die Neupositionierung von Arzneimitteln

Um neue chemische Wirkstoffe gegen  Arzneimittelresistenzen von Tumoren zu finden, konzentriert sich p-care auch stark auf die Strategie zu untersuchen, ob bereits zugelassene und für andere Krankheiten verwendete Arzneimittel  einen positiven Einfluss auf die Resensibilisierung von Tumoren für Chemotherapie-Behandlungen (oder Immuntherapie) haben.
Kurz gesagt besteht dieser Ansatz - der als Neupositionierung von Arzneimitteln bezeichnet wird - darin, nach neuen Verwendungsmöglichkeiten für etablierte Arzneimittel zu suchen, da diese oft auch außerhalb der therapeutischen Indikationen, für die sie ursprünglich zugelassen wurden, gewünschte Wirkungen zeigen.
Aber warum sollte ein Medikament gegen Hypercholesterinämie beispielsweise das Wachstum von Krebszellen blockieren können?

Für die meisten verwendeten Medikamente ist nur eine begrenzte Auswahl indirekter Ziele oder Wirkmechanismen innerhalb von Zellen bekannt. Dies bedeutet, dass diese Medikamente, wenn sie in neuen Kontexten untersucht werden, auch neue potenzielle Wirkungen zeigen können.
Ein sehr gutes Beispiel dafür sind Statine. Es wurde in der Tat festgestellt, dass diese, sowie andere Inhibitoren des Stoffwechselweges von Mevalonat, nicht nur in der Lage sind, den Cholesterinspiegel im Blut zu senken, sondern auch eine hemmende Wirkung auf einige Schlüsseldeterminanten der Tumorentwicklung und Metastasierung ausüben. Derzeit laufen mehrere klinische Studien, um die Wirkung von Statinen in der Krebstherapie zu bewerten.

Die Neupositionierung von Arzneimitteln wird zunehmend als vielversprechender Ansatz angesehen. Er bietet viele Vorteile gegenüber einer grundlegend neuen Entwicklung eines Arzneimittels: Es ist weniger riskant und schneller, da für jede in Frage kommende Verbindung bereits viele präklinische und klinische Arbeiten durchgeführt wurden, um die Sicherheitsparameter zu bewerten.

In p-care werden daher verschiedene bereits vorhandene Arzneimittelsammlungen getestet. Die Wirkung der Kombination dieser Arzneimittel mit Chemo- oder Immuntherapeutika wird unter Verwendung der vom Patienten stammenden Zellsysteme (Organoide und Sphäroide) untersucht, die sich aus den verschiedenen Analysen als resistent gegen die Therapien herausstellten.

Wegbereiter für personalisierte Therapien

Von Patienten abgeleitete Zellsysteme, intelligente Strategien für das Wirkstoff-Screening, innovative Technologien wie Omics und viele andere ermöglichen Untersuchungen, die auf individueller Patientenebene bisher nicht möglich waren.

p-care wird all diese Instrumente einsetzen, um die Entwicklung personalisierter Therapieansätze zu beschleunigen und die Wirksamkeit von Krebstherapien zu verbessern.